^AKTUELL KOPFHÖRER-KONZERT
n
Peter Harte verfügte mit dem Soundcraft-Misch-
pult über alle technischen Möglichkeiten, die für
das komplexe Projekt nötig waren
N eb e n d er F u nkstrecke, die sam t 100
In -E a r-K o p frö re rn von S ennheiser zur
V erfügung gestellt w urde, galt es, jedem
der acht M usiker einen individuellen Mix
aufs Trom m elfell zu geben. Das Publikum
bekam einen Stereo-M ix, wie er auch für
einen T onträger vorstellbar wäre. H arte
bediente sich neben der Gesangs- und Ins-
trum entenm ikros w eiterer vier Raum -M i-
krofone, um die A kustik der Lagerhalle
ins G eschehen m iteinzubeziehen. Schließ-
lich w ar die M esslatte des A n sp ru ch s
durch Toscho Todorovic vorgegeben: „Bei
unserem K onzert heute hat
je d er Z u h ö re r d en b esten
D ie B l u e s C o m p a n y
w a r i m m e r s c h o n e i n
a u d i o p h i l e r V o r r e i t e r "
Sound.“ A uch für das beste
Bild w urde gesorgt: Ein Film team , das ein
Studienkollege von V eranstalter R uben
Claro organisierte, ü b ernahm den visu-
ellen P art für eine m ögliche D V D -Pro-
duktion. Eine w illkom m ene E rgänzung
zur A ufnahm e, vor der T odorovic aber
h ö chsten Respekt hat: „A udiom ixen ist
schon eine Strafe. A ber das m it den Bil-
dern w ürde m ich w ahnsinnig m achen.“
A u f die Z u h ö re r im Saal w arte ten
aber noch m ehr Ü berraschungen. N icht
schnöde Stuhlreihen, sondern eine ganze
Sofa-Landschaft m it Sesseln und Stehlam -
p en lud zum entspannten V erw eilen und
M u sikgenuss ein. D ie G esellschaft für
soziale D ienstleistungen hatte alte Sitz-
m öbel n eu au ftereitet u n d für das K on-
zert zur V erfügung gestellt. In m itten der
M usiker w aren m ehrere große Sitzsäcke
Die Lagerhalle in Osnabrück bot sich wegen
des guten Raumklangs und der vorhandenen
Technik als idealer Veranstaltungsort an
für das P ublikum vorbereitet. Zwei
M eter vor den Background-Sänge-
rin n en „Soul Sistaz“ dem K onzert
im Liegen lauschen? Einen M eter
v o n Schlagzeug u n d Bass en tfe rn t den
S tereo-M ix in C D -Q u alität hören? Bei
einem Silent C oncert alles kein Problem !
A uf die Frage, was Todorovic bei dieser
A rt der A ufnahm e im Gegensatz zum Stu-
dio verm isse, w ar die A ntw ort kurz und
bündig: N ichts. V ielm ehr ist der Blues-
G ita rrist v o n d er n e u e n M ö g lich k eit
begeistert: „W enn w ir live für M enschen
spielen, ist d u rc h die A tm o -
sphäre u n d das A drenalin alles
beseelter.“ Für ihn sei zwar der
Platz auf der Bühne der beste,
aber bei einem Silent C oncert
haben alle Z uhörer den besten
K lang, egal wo sie sitzen oder
stehen.
Als Z uhörer, der zum ersten
M al m it dieser Art der kabellosen
In-E ar L ive-Perform ance k o n -
frontiert w urde, w ar ich skeptisch u n d
neugierig zugleich. W ie w ürde es wirken,
w enn eine Band live, aber ohne PA n u r
über K opfrörer spielt? W ürde das G ehirn
A larm schlagen,
w enn das akusti-
sche u n d visuelle
Bild nicht perfekt
zusammenpassen?
Es gab k ein en
A larm . V ielm ehr
g e w ö h n te
sic h
das G eh ö r n ach
k u rz e r Z eit
an
die
n e u e
S itu -
ation. F ü r akustische Skepsis w ar g ar
k ein R au m m eh r, d e n n B ild u n d T o n
p assten ein w an d frei zu sam m en . A uch
w enn ich m ich in der Lagerhalle bewegte,
verarbeitete das G ehirn die
u n te rsc h ie d lic h e n In fo r-
m ationen klaglos. Ein Beispiel: Die Blues
C om pany w ar m itten im Saal annäh ern d
kreisförm ig platziert, die Z uhörer saßen
auf der Bühne, zwischen der Band und im
eigentlichen Z uschauerraum . Als ich von
hin ten zum Fotografieren auf die Bühne
kletterte, h atte ich die Blues C o m p an y
entgegen dem S tereo-Panoram a vor m ir:
Toscho u n d die Soul Sistaz w aren links,
kam en aber m eh r auf dem rechten O hr
an, w ährend es sich bei Bass, Schlagzeug
u n d Bläsern um gekehrt verhielt. A ugen
und O hren gaben trotzdem grünes Licht,
den n der M ix w ar so ausgew ogen, dass
m an die optische S piegelung g ar n ich t
oder n u r unbew usst em pfand.
W enn eine herausragende Band wie die
Blues Com pany das Experim ent der Silent
C o ncerts w agt, sollten sich in Z ukunft
auch N achahm er finden. Es ist sow ohl für
M usiker als auch Z uhörer ein völlig neues
Erlebnis, M usik live u n d für den jew eili-
gen R aum perfekt abgem ischt zu hören.
W enn w ir als V erfechter des guten Tons
ganz ehrlich sind: Eine PA ist m eist m ei-
lenw eit davon entfernt, hohe klangliche
A nsprüche zu befriedigen. Bei den Silent
C oncerts gelingt dies aber a u f v erb lü f-
fende W eise. Eine spannende u n d berei-
chernde Erfahrung.
M ic h a e l R assin ger
E s w a r w i e im W o h n z i m m e r ,
w i e „ b e i M u t t e r n
in d e r g u t e n S t u b e " !
50 STEREO 7/2014
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